Der letzte Dandy

Als Roxy Music 1972 mit der LP „Roxy Music“ (Single: „Virginia Plain“) die Bühne der Rockmusik enterten, galten sie zunächst als bunte Paradiesvögel und ihre Musik als Kunststudenten-Rock, den man nicht weiter ernst nehmen müsste. Anders als andere Bands der frühen 70er Jahre jedoch legten Roxy Music eben schon sehr früh viel Wert auf Ästhetik und Stil. Heute sieht man deutlich, dass sie dem allgemeinen Zeitgeist um mindestens 10 Jahre voraus waren. Der New Wave der 80er Jahre wäre in weiten Teilen ohne die Musik und das Erscheinungsbild von Roxy Music kaum denkbar. Und noch heute greifen Bands auf den Stil-Fundus der Band zurück und berufen sich auf sie (z.B. Scissor Sisters).

Da Brian Eno die Band schon 1973 wieder verließ und mit atmosphärisch-elegisch-experimentellen Solo-Platten die Ambient-Musik begründete (was übrigens auch erst in den 2000er Jahren richtig erkannt und gewürdigt wurde), entwickelte sich der Sänger Bryan Ferry schnell zum Mittelpunkt und Impulsgeber von Roxy Music.

Bryan Ferry war und ist der Prototyp des klassischen Dandys, der zurückzuführen ist auf die Figur des Jean Floressas des Esseintes in Joris-Karl Huysmans Roman À rebours (Gegen den Strich) von 1884, der um das Leben eines dekadenten und neurotischen jungen Aristokraten kreist. Dandys sind demnach Menschen, die sich mit Dingen von großer Schönheit umgeben, mit Pflanzen, Düften, Erstausgaben, Kunstwerken, und auch sich selbst nur in erlesene und fast snobistische Kleidung hüllen.

Bryan Ferry sieht sich selbst nicht als Dandy, weil er befürchtet, als ein solcher nicht ernst genug genommen zu werden. Und Bryan Ferry wollte immer ernst genommen werden. Schon in den Anfangsjahren mit Roxy Music war er stets auch mit eigenen Soloprojekten beschäftigt. Er kreierte dabei einen ungemein eingängigen, soften und hitparadenfähigen Sound, der aber gleichzeitig stets mit so intelligenten Texten und komplexen Arrangements versehen war, dass sich selbst gestandene Rockfans LPs wie z.B. „Boys and Girls“ von 1985 ins Regal stellen konnten, ohne schiefe Blicke befürchten zu müssen.

Bis heute gilt Bryan Ferry praktisch als eine Art „Gesamtkunstwerk“, dessen Stil, Auftreten, Kleidung und Musik nicht voneinander zu trennen sind. Dieses authentische an ihm macht Bryan Ferry zu einem Künstler, dessen Musik man zwar nicht mögen muss, als Künstler und Stilist aber immer respektieren kann.

Gerade ist eine neue Platte von ihm erschienen. „Olympia“ war eigentlich als neues Album von Roxy Music geplant, das Bryan Ferry aber dann doch in eigener Regie veröffentlichte, weil er für ein neues Album von Roxy Music ganz andere Vorstellungen hatte. Dennoch ist „Olympia“ fast eine Roxy-Music-Platte, weil fast alle alten Weggefährten mitspielen. Und die Platte ist erstaunlich gut und innovativ geraten. Das Stück „Reason Or Rhyme“ etwa ist psychedelischer Pop, extrem eingängig und doch viel zu lang und zu spacig für die Hitparade. Es ist ein Song, den man sich mit ohrenbetäubender Lautstärke in der Disko (oder zuhause :-)) genau so gut vorstellen kann wie beim sonntagnachmittäglichen Chillen auf dem Sofa bei dezenter Zimmerlautstärke. Probiert es aus …

Wilfried

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