Die größte Schallplatten-Sammlung der Welt

Seit mehreren Wochen geistert der Name Zero Freitas‘, eines brasilianischen Millionärs und Plattensammlers, wie ein Phantom durch die Feuilletons der Welt. Und in der Tat ist seine Geschichte eine der irrwitzigsten Geschichten unserer Zeit. Der legendäre Whiskey- und DJ-Night-DJ Rio de Luca etwa hat zuhause 17.000 LPs und CDs im Regal stehen. Nicht weit entfernt in Jever sammelt Werner Magnus LPs und Singles und hat es mittlerweile auf die stattliche Anzahl von 32.000 Exemplaren gebracht.

Das sind führwahr beeindruckende Zahlen, doch sie sind nichts im Vergleich zu dem Projekt, dass Zero Freitas seit seiner Kindheit umtreibt. Seine Begeisterung für die Stereoanlage und die 200 Platten seines Vaters legten den Grundstein für eine doch leicht wahnhafte Sammelmanie ohne Vergleich. Das Ziel des Brasilianers Freitas ist es nämlich, sämtliche – ALLE – Platten der Welt aufzukaufen und zu sammeln, die jemals irgendwo auf der Erde in irgendeinem Land erschienen sind.

Bereits als junger Mann besaß Freitas etwa 30.000 LPs. Zehn Jahre später war der Unternehmer zu einem reichen Mann geworden, und als er sich von seiner Frau trennte, kam seine Sammelleidenschaft – vielleicht einsamkeitsbedingt – erst richtig in Gang.

Jahrelang kaufte er alles, was er bekommen konnte. Er übernahm Sammlungen von Sammlern überall auf der Welt, kaufte Restbestände von schließenden Plattenläden oder untergehenden Plattenlabels. Eine große Lagerhalle füllte er jeden Tag mit tausenden neuen Platten.

Freitas hat Gewährsleute auf fast allen Kontinenten der Erde, die in seinem Auftrag Platten kaufen. Im Laufe der Jahre baute er so Verbindungen auf, die es ihm ermöglichten, auch spezielle Sammlungen z.B. von Musikkritikern aus den verschiedensten musikalischen Richtungen zu übernehmen – Platten mit persönlichsten Widmungen von weltbekannten Stars oder Platten mit dem Zensurstempel diktatorischer Regimes; schönste, seltenste Exemplare.

Heute dürfte Zero Freitas über eine Sammlung von vielen Millionen Schallplatten verfügen. Bis vor kurzem wußte kaum jemand etwas von seiner Leidenschaft, die ihm zuweilen wohl selber merkwürdig anmuten mußte. Erst Bob George, ein New Yorker Musikarchivar, der durch Zufall einen Blick auf diese überbordende Sammlung werfen konnte, stellte ihm die entscheidende Frage, was er eigentlich mit diesen Schätzen wolle und warum er sie mit niemandem teile?

Eine Gruppe von Studentinnen und Studenten hilft ihm heute dabei, diese gewaltige Sammlung in den Griff zu bekommen. Jede einzelne Platte wird in die Hand genommen und klassifiziert und katalogisiert. Ob sie jemals mit ihrer Arbeit fertig werden, ist äußerst ungewiss, denn praktisch jeden Tag kommen tausende „neuer“ Platten hinzu.

Immerhin plant Zero Freitas heute für die Zukunft. In seiner Lagerhalle möchte er ein Projekt umsetzen, daß er „Emporium Musical“ nennt. Falls sein Archiv als gemeinnützig anerkannt würde, soll mittels seiner Sammlung so etwas wie eine Bibliothek entstehen, in der man sich über Hörstationen in jegliche Musik der Welt einhören kann.

Wie diese kaum glaubliche Geschichte weitergehen oder gar enden wird, weiß niemand. Die Geschichte von Zero Freitas wurde erstmals von der „New York Times“ aufgegriffen, die einen schönen und informativen Artikel darüber verfaßte, der später in der „Welt“ in einer deutschen Übersetzung erschien („Der Mann, der alle Platten der Welt kauft„) ↑.

Auch wenn es einem schwerfällt, die ganze Dimension dieser Sammelleidenschaft bzw. dieser Sammlung zu erfassen, so wird doch deutlich, welche Einblicke man erstmals in die globale, politische und soziale Bedeutung der Schallplatte gewinnen könnte. Kulturgeschichte, Designgeschichte, Musikgeschichte!

Man kann nur hoffen, dass Zero Freitas seinem Weltprojekt irgendeine für uns alle sinnvolle Richtung geben kann. Wenn man z.B. an die schönen und sehr individuellen Cover des Jazz-Labels Blue Note mit dem spezifischen Sixties-Feeling denkt, wird deutlich, welcher Augenschmaus (und natürlich welches Hörvergnügen) uns erwarten könnte …

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Wilfried

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