Dreißig Jahre danach: Tanzt nochmal den Mussolini

Deutsch Amerikanische Freundschaft DAFAm Freitag, dem 3. Februar 2012, eröffnet die Band „Deutsch Amerikanische Freundschaft“ (DAF) ihre diesjährige Tournee mit einem Clubauftritt im Osnabrücker Veranstaltungszentrum Rosenhof. Ohne den Quakenbrücker Robert Giddens wäre die Geschichte von DAF anders verlaufen. Bob Giddens war es, der die Band Ende der Siebzigerjahre im Szenetreff Ratinger Hof in Düsseldorf entdeckte. Für ihre LP „Alles ist gut“ (1981) erhielt die Band den Deutschen Schallplattenpreis. Nach mehr als dreißig Jahren gibt es nun ein Wiedersehen mit der Kultband und – Bob Giddens. Ich traf Robert Görl bei einem Besuch letzter Woche in Osnabrück und erlebte einen sympathischen Musiker, der viel zu erzählen wusste.

 Verschwende Deine Jugend

Nicht jeder DAF-Fan weiß, dass die Karriere von DAF ohne Robert Giddens aus Quakenbrück anders verlaufen wäre. Damals, Ende der Siebzigerjahre, war der Quakenbrücker englischer Herkunft nebenberuflich noch als Journalist für die englische Musikzeitschrift „ZigZag“ tätig. Und er suchte nach einer interessanten neuen deutschen Band. Diese fand er schließlich mit DAF im Ratinger Hof, einem Club, den auch Kunst-Provokateur Joseph Beuys und Maler Jörg Immendorff regelmäßig besuchten. Der „Ratinger Hof“ gilt heute als das Stammlokal der ersten deutschen Punk- und New-Wave-Szene. Ausführlich nachlesen kann man die Entwicklung dieser Musikkultur in dem nach einem DAF-Titel benannten Buch von Jürgen Teipel „Verschwende Deine Jugend“ aus dem Jahre 2001.

Bleib niemals stehen

Nach dem ersten Kontakt und getreu der Devise „Bleib niemals stehen“ fuhr Bob Giddens mit der anfangs noch fünfköpfigen Band DAF über den Ärmelkanal. Angekommen in England habe man mit Bob zunächst Zwischenstation bei seinen Verwandten gemacht, erinnert sich Robert Görl bei seinem Besuch in Osnabrück letzter Woche. Man trank viel Tee. Kaffee sei in England der Achtzigerjahre ungenießbar gewesen, so Robert Görl. Das konnte ich ihm bestätigen, war ich doch selbst in den Achtzigerjahren in England gewesen. „Aber Tee kochen konnten die Engländer. Heute können sie auch Kaffee kochen“, scherzt Robert Görl.

Später hätten sie in der Nähe von Manchester das Cargo Schallplattenstudio in Rochdale erreicht. Dort hatten zuvor seinerzeit berühmte Independent-Bands wie „Joy Division“, „The Fall“ und „Gang of Four“ ihre Singles und Alben aufgenommen. Der Betreiber des Studios stand zudem im Ruf, exzellente Kontakte zur englischen DJ-Ikone John Peel zu haben. „Bob hatte dieses Kultstudio wirklich für uns klargemacht “, erinnert sich der Schlagzeuger lobend weiter.

DJ-Legende John Peel stand auf DAF

Robert Giddens nahm mit DAF im Cargo Studio mehrere Tracks auf. Schnell war ein erster Meilenstein gesetzt: John Peel featurete die damals fünfköpfige Band in seinen John Peel Sessions am 06.12.1979 mit Liedern wie „Was ist eine Welle?“, „Ich und ich in der Wirklichkeit“, „Gewalt“ und „Kebabträume“.

Der Song „Kebab-Träume“ erschien später als DAF-Single beim New-Wave-Kultlabel „Mute“ von Daniel Miller. Viele Journalisten bewerteten diese Veröffentlichung damals als Sensation. Vor allem: „Dass eine deutsche Band den Engländern zeigen wollte, wie man moderne Musik macht, war im Mutterland der Punk- und New-Wave-Musik eigentlich undenkbar gewesen. Aber DAF waren ihrer Zeit weit voraus und sie wussten die armen Engländer zu überzeugen“, erinnert sich Robert Giddens heute.

Meine eigene „Kebab“-Single habe ich mir am Wochenende von Robert Görl signieren lassen. Sie bekommt bei mir nun einen Ehrenplatz im Plattenschrank; einen festen Platz in der Rubrik „beste New-Wave-Hits aller Zeiten“ hatte sie schon lange – nicht nur bei mir.

Zurück in die Vergangenheit

Wie hart es für die Band schließlich wurde, erläutert Robert Görl, als ich mit ihm und Tim, dem glücklichen Besitzer eines Mercedes-Benz-Heckflossen-190er durch Osnabrück kurve: Bob hätte nach mehr als zwölf Wochen Anwesenheit in England wegen familiärer Verpflichtungen – sein Sohn Mike war gerade geboren – nach Deutschland zurück müssen. Bob hatte unterdes die Überfahrt, das Studio und die Nebenkosten für DAF bezahlt und die entscheidenden Weichen gestellt. Dazu zählte auch die Tournee als Vorband von DAF bei „The Fall“, die für DAF einen weiteren Meilenstein setzte. Dieser Kontakt ging auf eine gute Beziehung zwischen Bob und dem „Fall“-Management zurück.

„Wir, die Bandmitglieder von DAF, hatten aber weder Job noch Kinder und beschlossen in England zu bleiben. Denn wir glaubten, dass wir es dort wirklich schaffen können“, erläutert Robert Görl die Umstände.

London Calling

Anfangs „überlebten“ DAF in der Londoner Hausbesetzerszene. Das sei für manche Bandmitglieder zu hart gewesen. Konsequenz: Die Band schrumpfte – auch aufgrund musikalischer Differenzen – von fünf Musiker auf zwei: Robert Görl sowie Sänger und Tänzer Gabi Delgado-Lopez, so Robert Görl.

Dann passierte es, erinnert sich Görl: „Irgendwann, als wir weder Geld in der Tasche noch etwas zu essen hatten, erschien in unserem ‚Kellerloch’ ein gut gekleideter Mann mit Plastiktaschen voller Pfundnoten und Champagner in der Hand. ‚Hi, ich bin Mike, euer neuer Manager und bringe euch groß raus’“. Woher dieser Mann kam, weiß Robert Görl bis heute nicht. Wer da die Finger im Spiel hatte, würde er zu gerne wissen, denn er, Robert Görl, schreibt seit einiger Zeit an seiner Biographie. Ob Robert Giddens es noch weiß? „Mike war – wenn ich mich recht erinnere – ein Schallplattenverkäufer, der dubiose Geschäfte mit vielen Reggae-Künstlern gemacht hatte – und er stand auf DAF. Ich hatte ihn bei einem DAF-Konzert kennen gelernt“, erinnert Bob Giddens sich auf meine Nachfrage. „Aber wo das Geld herkam, weiß ich bis heute nicht“, so Bob weiter.

Depeche Mode bespitzelt DAF

Robert Giddens: „Bei einem Konzert in London – so kann ich mich erinnern – haben ein paar junge Schnösel im Backstage-Bereich DAF genau beobachtet. Sie haben viele Fragen gestellt über den Synthesizer, den DAF einsetzte. Anschließend haben sie mir erzählt über ihr Vorhaben, sich einen neuen Bandnamen zu geben, anstatt ‚Composition of Sound’ wollten sie sich jetzt ‚Depeche Mode’ nennen. So war die Zeit damals.“

Gewalt

Weiter ging’s: Nach vielen harten Liveauftritten erkämpften sich Gabi und Robert den Erfolg. „Wir haben viele extreme Situationen durchgemacht. Wir hatten niemals Angst. Wir waren uns unserer Energie bewusst“, so Robert Görl weiter. Irgendjemand habe für sie einen Auftritt in einem Club in Middelsbrough, einem Skinhead-Club, gebucht. Man habe sie gewarnt, dort aufzutreten. Gabi, der Sänger von DAF, und er hätten es aber machen wollen. Der Laden sei mit über 1000 Skinheads gefüllt gewesen. Deren Anführer habe gesagt, wenn sie nicht gut spielten, würde die Horde die gesamte Bühne nebst Band und Equipment platt machen. Robert Görl: „Ich hämmerte wie wild auf mein Schlagzeug ein. Der Anführer gab nach dem ersten Stück der Horde ein Zeichen. Es bedeutete: ‚Die Jungs sind ok.’. Dann waren alle nur noch am tanzen. Es waren alles Männer, wirklich nur Männer, es war keine einzige Frau im Saal, keine einzige“, erinnert sich der Schlagzeuger von DAF heute.

 Alles ist gut

Nach den ersten Liveauftritten in England sei dann alles ganz schnell gegangen. Vor allem nach dem Anruf des legendären deutschen Studiobesitzers Conny Planck, der schließlich die DAF-LP „Alles ist gut“ produzierte. Robert Görl: „Die Aufnahmen waren so gut und Conny hatte so viele Verbindungen. Die großen Plattenfirmen standen plötzlich Schlange.“ Der nationale und internationale Durchbruch war da, die LP „Alles ist gut“ erhielt schließlich den deutschen Schallplattenpreis.

Gut 30 Jahre nach diesen Ereignissen kommt es zum einzigen Clubkonzert in Norddeutschland von DAF – Der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft – und hoffentlich zu einem Wiedersehen von DAF und Bob Giddens, dessen „Kantine“ in Quakenbrück am gleichen Tag ihr Einjähriges feiert. Bob wird sicher beide Termine zu managen wissen.

Musikalisch stehen am kommenden Freitag im Osnabrücker Rosenhof alle Highlights der DAF-Karriere auf dem Programm. In Originalbesetzung und mit den berühmt-berüchtigten Synthesizer-Loops, die direkt in die Beine gehen: Tanzt den Mussolini.

DAF im HydePark Oosnabrück 1983DAF im HydePark Oosnabrück 1981. Foto: Gisbert Wegener

Termin: Freitag, 3. Februar 2012.

DAF

Rosenhof

Am Rosenplatz 23

49074 Osnabrück

Eintritt VV: 28,95 Euro

Vorgruppe: Tyske Ludder

Link zur John Peel Session:

http://peel.wikia.com/wiki/06_December_1979

Viel Spaß wünschen Euch Gisbert Wegener und Ruth!

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