„Fruit Tree“ heißt der Song auf Nick Drake’s erstem Album von 1969 – „Five Leaves Left“ – , in dem er sich quasi als Prophet seines eigenen Schicksals erweist. In diesem Song nämlich geht es vornehmlich um den Ruhm, der erst kommt, wenn man bereits lange verstorben ist.
„Fruit Tree“ nennt sich denn auch die gerade wiederveröffentlichte Box mit den drei von Nick Drake veröffentlichten Alben sowie sämtlichen Songtexten, einem Dokumentarfilm auf DVD und einem Booklet mit Kommentaren von Joe Boyd und Robert Kirby, den Nachlassverwaltern seines Werkes – die Essenz eines kurzen, beseelten wie tragischen Künstlerlebens.
Nick Drake veröffentlicht bereits 1969 mit 21 Jahren sein erstes Album „Five Leaves Left“ mit zarten, melancholischen Songs, die gemeinhin als Folk klassifiziert werden, aber im Grunde viel mehr sind. Der hypersensible und menschenscheue Künstler schleicht sich bei den wenigen Konzerten seines Lebens leise auf die Bühne und beginnt ohne ein Wort minutenlang seine Gitarre zu stimmen. Schon das Klirren von Gläsern treibt ihn wieder von der Bühne.
Er ist offensichtlich ein Künstler, aber für die Öffentlichkeit, die ein Künstler auch benötigt, wohl kaum geeignet. Doch befreundete Musikerkollegen glauben an ihn. Zusammen mit John Cale von Velvet Underground und Richard Thompson von Fairport Covention und einem großen Orchester nimmt er 1970 seine zweite Platte „Bryter Layter“ auf, ein perfektes, kunstvolles Rock-Album voller Jazz- und Klassikbezüge.
Auch seine zweite Platte verkauft sich nicht, Nick Drake bleibt ein Insider-Tipp. Latent in ihm schlummernde Depressionen werden stärker und verdüstern sein Leben. Noch ein weiteres Mal begibt er sich ins Studio und nimmt in zwei Nächten das Album „Pink Moon“ auf (1971), elegische und den Hörer tief bewegende Songs nur mit seiner Stimme und seinem Gitarrenspiel und ein paar umherirrenden Klaviertönen, ohne irgendein Arrangement.
Nick Drake ist ein Meister der Melancholie gewesen, ein Meister des Lebens war er nicht. Er zieht sich in seine eigene Schattenwelt zurück, starrt stundenlang die Wände an, ist kaum ansprechbar. 1974 stirbt er auf rätselhafte Weise an einer Überdosis Antidepressiva.
Ein kleiner Kreis von Fans und Freunden bleibt seiner Musik treu, immerhin so viele, dass seine Platten lieferbar bleiben. Im Jahr 2000 verwendet Volkswagen den Song „Pink Moon“ in seiner Werbung für das neue Golf-Cabrio, und wunderbarerweise macht der Werbespot den zarten und traurigen Song nicht kaputt, wie es so oft in der Werbung geschieht, sondern der Song macht aus dem Werbespot ein feines und schönes Kunstwerk. Plötzlich wird die Welt aufmerksam, innerhalb eines Monats werden mehr von seinen Alben verkauft als zu Drake’s Lebzeiten.
Heute verneigen sich Fans wie Kollegen vor seinem Werk, der Rolling Stone führt – völlig zu Recht – all seine Platten in der legendären Liste mit den 500 besten Alben aller Zeiten. Ganz so wie er es in „Fruit Tree“ vorhergesehen hat – für ihn kommt der Ruhm zu spät.
Für uns ist es jedoch nicht zu spät, wir haben nach wie vor die Möglichkeit, seine Platten zu hören, die zu den schönsten gehören, die die Rockmusik jemals hervorgebracht hat. Die drei Platten von Nick Drake sind allesamt leicht und sogar im Nice-Price-Segment erhältlich. Im Folgenden hören wir jeweils einen charakteristischen Songs von seinen drei Alben, deren Zauber auch in der oft hektischen Weihnachtszeit bestehen bleibt: „Cello Song“ (1969), „Nothern Sky“ (1970) und „Pink Moon“ (1971).
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Übrigens 1: Wer sich jetzt intensiver mit Nick Drake beschäftigen möchte, hat dazu auf der Website „99% invisible“ Gelegenheit, wo man sich die 30-minütige Radio-Dokumentation „Three Records From Sundown“ ↑ über Nick Drake und sein Werk anhören kann (in englischer Sprache).
Übrigens 2: Passend zu Weihnachten ist gerade das ebenfalls englischsprachige Buch „Nick Drake – Remembered for a While“ ↑ erschienen, ein wunderschönes Werk mit vielen Fotos und Erinnerungen von seiner Familie und seinen Freunden. Die auf 1000 Exemplare limierte Edition enthält als Beigabe u.a. eine Vinyl-Platte im Sonderformat mit den Songs einer John-Peel-Session Nick Drakes‘ von 1969. In diesem Sinne: Frohes Fest!
Wilfried