Zu den besonderen Phänomenen der an Einmaligkeiten ja nicht armen Rockmusik gehörte es, dass große Festivals jeweils Anfangs- oder Endpunkte markanter Entwicklungen darstellten.
Das Monterey International Pop Festival (USA) von 1967 gilt z.B. als musikalischer Auftakt der Hippie-Ära, in Deutschland stehen die Internationalen Essener Songtage von 1968 für die Initialzündung zu einer eigenständigen deutschen Rockmusik.
Der 2019 sein 50-jähriges Jubiläum feiernde Mythos vom Woodstock-Festival ist ohne Zweifel die größte und schönste Utopie, die die Hippie-Jahre hervorgebracht haben, während entgegen der landläufigen Meinung nicht das Altamont Free Concert Ende 1969 mit seinen Schockmomenten den Abgesang auf die Zeit der Hippies markierte, sondern das im Sommer 1970 stattfindende Isle of Wight Festival.
Das gerne auch als europäisches Woodstock bezeichnete Isle of Wight Festival ähnelte seinem Vorbild in vielerlei Hinsicht. Auch auf der vor der britischen Westküste gelegenen Insel hatte man nicht mit einem solchen Besucheransturm gerechnet – verlässliche Schätzungen gehen von 500.000 bis 700.000 Menschen aus, die das Festivalgelände bevölkerten. Während die chaotischen Tage in Woodstock jedoch friedlich blieben, brachen auf der Isle of Wight Auseinandersetzungen aus – zwischen Publikum und Künstlern, zwischen Publikum und Organisatoren.
Zahlreiche Jugendliche, die es nicht auf das eigentliche Festivalgelände geschafft hatten, mussten hinter einem massiven Doppelzaun verharren, was die Stimmung schnell anheizte und eine zerstörende Wut entfachte. Tausende von ihnen forderten, dass das Festival ebenso wie in Woodstock ein Free Concert sein sollte, dass die Veranstalter und die Bands auf ihren Gewinn bzw. ihre Gage verzichten sollten.
„Bühnenmoderator Rikki Farr lässt sich daraufhin zu den Worten hinreißen: “We put this festival on for you bastards, with a lot of love. We worked for one year for you pigs. Now you wanna break our walls and you wanna destroy it? Well you go to hell!” („Wir haben dieses Festival mit viel Liebe für euch Bastarde auf die Beine gestellt. Ein Jahr haben wir für euch Schweine daran gearbeitet. Und nun wollt ihr unsere Zäune niederreißen und alles zerstören? Fahrt zur Hölle!„) (Message To Love: The Isle Of Wight Festival 1970, WDR Rockpalast ↑)
Während der erste Film vom und über das Isle of Wight Festival ähnlich wie beim Woodstock-Festival maßgeblich zum nachhaltigen Erfolg des Festivals beitrug, ist der zweite Dokumentarfilm Message to Love (1997) des Amerikaners Murray Lerner umstritten wie selten, weil er die Auseinandersetzungen und Zerstörungen übermäßig betone, während die meisten Festivalbesucher von den Unruhen überhaupt nichts mitbekommen hätten, wie der Veranstalter Ray Foulk immer wieder betont und von einer „manipulierten Sichtweise“ spricht.
In der ARTE-Mediathek ist der Film nicht mehr zu sehen – er hat aber in einer entlegeneren Ecke des Internets „überlebt“ und kann dort (legal!) angesehen werden. Zu sehen ist ein Film, der eindringlich aufzeigt, wie tief Gier und Neid 1970 bereits in die einst so hippieske Underground-Kultur vorgedrungen waren, keine leichte Kost für Enthusiasten und Utopisten!
In musikalischer Hinsicht gehört das Isle of Wight Festival von 1970 jedoch zu den ganz großen. The Who legten eine fulminante Performance hin, die sie als eine der besten Live-Bands der Zeit zeigte, Jimi Hendrix und die Doors hatten einen ihrer letzten großen Auftritte.
Insbesondere der Auftritt der Doors berührt. Trotz massiver Probleme mit dem Licht legte die Band noch einmal richtig los, selbst der schon vom Siechtum gezeichnete Jim Morrison fand noch einmal zu seiner großen Form der 1960er Jahre zurück. Ein wichtiges musikalisches Dokument, das nun endlich auch auf DVD und auf Youtube zu sehen und zu hören ist.
Viele weitere Informationen über das Isle of Wight Festival finden sich auf dieser Seite: Welcome to my Isle of Wight Festivals Memorabilia blog ↗.
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Wilfried