Die Krise der Musikindustrie hat mittlerweile die Musikzeitschriften eingeholt. 2018 war für die Branche ein besonders hartes Jahr: zuerst stellte der überaus renommierte britische „New Musical Express“ (NME) nach 66 Jahren (!) seine Printausgabe ein, später folgte allein in Deutschland das Ende von „Intro“, „Groove“ und „Spex“.
Die Erklärungen für den Niedergang des (Rock-)Musikjournalismus lesen sich eigentlich immer gleich: natürlich sei das Internet verantwortlich, in dessen Gefolge niemand mehr die Filter- und Analyse-Funktion dieser Zeitschriften benötige oder wolle.
Ein einstiges Flaggschiff der deutschen Musikzeitschriften, der bereits seit den 1970er Jahren exisitierende „Musikexpress“ mit (damals) 160.000 verkauften Heften (pro Monat), versucht sich des öfteren an einer Erklärung für die schwindenden Heftverkäufe. Das seit geraumer Zeit sein Heil in einer Metamorphose von der Rock-Zeitschrift zum Hipster-Magazin suchende Blatt sucht die Schuld für den Kulturwandel trotz guter Ansätze („Musik ist wie jede Kunstform eine Metapher für das Leben“) auch eher in der Außenwelt, in der viele einfach kein Interesse an einem Magazin hätten, das sich über „Inhalte“ definiere. Und dann wären da noch die Leser all der Classic-Rock-Magazine, die sich lieber mit ollen Kamellen als mit der musikalischen Exegese des Musikexpress beschäftigten:
„Auch der Musikzeitschriften-Musikjournalismus ist nicht tot, er folgt dem Interesse der alternden und demografisch bedingt schrumpfenden Leserschaft und bewegt sich in großen Schritten in Richtung Vergangenheit. Die erfolgreichsten Magazine auf dem deutschen Markt sind die, die anhand einer überschaubaren Anzahl von Bands und Musikern ad nauseam in Nacherzählungen den klassischen Rock der 70er-Jahre bejubeln. Hier geht es offensichtlich nicht um den hot shit, sondern darum, die alternde männliche Leserschaft darin zu bestärken, dass sie mit ihrem vor Jahrzehnten festgelegten Musikgeschmack immer noch richtig liegt. Wer behauptet da, Musik hätte heute keine identitätsstiftende Wirkung mehr?“ ((K)ein Requiem auf den Musikjournalismus, Musikexpress, 04.01.2019) ↑
Weniger Häme, weniger Versuche, die Musikhörer auseinanderzudefinieren, und einfach mehr Toleranz und Bereitschaft zuzuhören wären da möglicherweise Anknüpfungspunkte, den schrumpfenden Verkäufen etwas entgegenzusetzen. Denn das die Musikwelt irgendwie „kaputt“ ist und der Kommentare und der Analyse bedarf, markierte beispielsweise unlängst ein Artikel auf Heise-Online, nach dem lediglich 823 verkaufte „Einheiten“ ausreichten, um das Album „Hoodie SZN“ des Hip-Hoppers „A Boogie wit da Hoodie“ auf die Top-Position der US-Albumcharts „Billboard 200“ zu hieven (US-Hitparade: Mit 823 verkauften Alben zur Nummer 1, Heise Online, 15.01.2019) ↑.
Ein Kommentar des Users „goeste“ zu diesem Beitrag macht das ganze Dilemma deutlich: „Das die Klassiker mehr Umsatz machen als aktuelle Werke, spricht Bände in Bezug auf die Qualität der aktuellen Musikproduktionen. Dieser ganze Trash wird zwar konsumiert, aber wirklich ‚hören‘ – im Sinne von bewusst zuhören und Musik wie Texte geistig reflektieren – tut das keiner mehr. Wer aktuelle Musik wirklich genießen will muss heute weit abseits des Mainstream suchen. Ich kann mich gut erinnern, wie ich mich Ende der 70-er Nachmittags mit Freunden getroffen habe um die neuesten Platten von Manfred Mann’s Earth Band, Queen, Jethro Tull, Bob Marley, Genesis u.s.w. zu hören und darüber zu diskutieren, ob sie jetzt besser oder schlechter sind als die älteren Werke oder wie sich die eine Band im Vergleich zu anderen entwickelt.“
Das ältere (Rock-)Musikhörer immer noch gerne die alten Sachen hören und sie kaufen, hat möglicherweise wirklich damit zu tun, das die alten Sachen oftmals einfach besser waren als vieles, was aktuell unter dem Etikett „Rockmusik“ zu finden ist. Gerne erinnern wir uns z.B. an DUST, eine amerikanische Band der frühen 1970er Jahre, die mit einem ganz eigenen, energiegeladenen Sound zu den Wegbereitern der Hardrock- und Heavyrock-Musik zu zählen ist und in jeder guten Rock-Diskothek der Zeit zu hören war: Mit „Suicide“ und „From A Dry Camel“ macht man eine Zeitreise der besonderen Art.
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Wilfried