Neue Dauerausstellung: Regionale Jugend- und Musikkultur am Beispiel der Tanzschuppen, Musikclubs und Diskotheken in Weser-Ems

DJ-NIght-Jever 2009DJ-NIght-Jever 2009

„Die Ausstellung darf nie enden, sonst ist diese Zeit endgültig vorüber!“ – so lautete einer der prägnantesten Einträge im Gästebuch zur Diskotheken-Ausstellung im Schlossmuseum Jever. Es ist im deutschsprachigen Raum wohl ein einzigartiges Phänomen, dass eine Ausstellung zu so einer langwährenden und lebendigen sozialen und kulturellen Praxis geführt hat wie in diesem Fall. Nach der Schliessung der Ausstellung 2012 haben zahllose Nachfragen und günstige Umstände dazu geführt, dass die einstige Diskotheken-Ausstellung nun in veränderter und komprimierter Form als Teil der Daueraussstellung des Schlossmuseums Jever wiederauferstanden ist. Die Fans haben ihren „Wallfahrtsort“ wieder.

Genauere Informationen finden sich in der folgenden Pressemitteilung des Schlossmuseums von Peter Schmerenbeck.

Wilfried

Neue Dauerausstellung „Regionale Jugend- und Musikkultur am Beispiel der Tanzschuppen, Musikclubs und Diskotheken in Weser-Ems“

Nach 5 Jahren hat das Schlossmuseum Jever im Sommer 2012 die Sonderausstellung „Break on through to the other side – Tanzschuppen, Musikclubs und Diskotheken in Weser-Ems“ geschlossen. Geplant war ursprünglich eine Laufzeit von 8 Monaten; die riesige Resonanz hatte allerdings wiederholt zu Verlängerungen geführt. Sowohl nach Überlegungen in unserem Haus als auch nach vielen Gesprächen mit Außenstehenden haben wir uns dann entschieden, die bisherige Sonderausstellung neu konzipiert und umgestaltet unter dem Aspekt „Jugend- und Musikkultur der hiesigen Region“ in das Dauerausstellungsangebot des Museums einzubeziehen.

Folgende Aspekte haben zu dieser Entscheidung wesentlich beigetragen:

1. Das Thema besitzt nach wie vor eine große Bedeutung sowohl für die hiesigen Besucher, die die dargestellten kulturgeschichtlichen Prozesse der 60er, 70er und 80er Jahre selbst erlebt haben, als auch für diejenigen, die aus anderen Regionen/Bundesländern/Staaten kommen. Die Ausstellung ist von etwa 300.000 Gästen besucht worden. Darunter waren natürlich auch diejenigen, die unser Haus nicht gezielt wegen der Sonderausstellung aufgesucht haben, die sich aber – auch nach den Beobachtungen unseres Servicepersonals – ebenfalls äußerst interessiert und auffallend lange in dieser Abteilung aufgehalten haben. Das mag zum Teil daran liegen, dass dieses Thema in keinem anderen Museum vertreten ist und auch in der kulturwissenschaftlichen Forschung immer noch kaum wahrgenommen wird.

2. Viele Menschen aus der Region und darüber hinaus haben die Aktivitäten des Museums während der Vorbereitungszeit der Sonderausstellung in den Jahren 2005 – 2007 oft mit großem Engagement unterstützt, viele von ihnen haben aber auch die Ausstellung selbst weiterhin begleitet und auf diesem Wege zu ihrer enormen Resonanz beigetragen und stehen bis heute auf verschiedenen Ebenen mit uns in Kontakt. Das Interesse an unseren weiteren Aktivitäten ist sehr groß.

3. Aus dem Zusammenhang der Ausstellung, zu der ein umfangreicher gleichnamiger Katalog erschienen ist, haben sich direkt und indirekt zahlreiche Aktivitäten und Projekte entwickelt:

– Es gibt den zur Ausstellung erschienenen Film „Zu laut, zu dunkel, to düür“, der aus der Zusammenarbeit mit der musikwissenschaftlichen Fakultät der Uni Oldenburg entstanden ist, in dem ehemalige DJs und Betreiber über die frühen Läden berichten;

– es kam zu einer weiteren Publikation zu den Beat-Bands der Region zwischen Emden, Wilhelmshaven und Oldenburg von Hans-Jürgen Klitsch: Otto & die Beatle Jungs;

– 2009 zeigten wir innerhalb der Sonderausstellung eine zusätzliche Ausstellung zu LPs der 60er und 70er Jahre, begleitet von einer mittlerweile vergriffenen kleinen Publikation;

– da gab es 2009/10 das Rockmusical „Meta“ der Niedersächsischen Landesbühne Nord (Stadttheater Wilhelmshaven) zu Meta und ihrer einstigen Kultdisko in Norddeich mit seinen über zwei Spielzeiten ausverkauften zahllosen Aufführungen in ganz Ost-Friesland und dem Verweis im Programmheft: „Diese großartige Ausstellung … war die Initialzündung. Die Idee, ‚Meta‘ auf die Bühne zu bringen, war geboren …“

– es gab vom Autor des Theaterstückes, Peter Schanz, ein Hörfunk-Feature zur Disko und Person Meta, das sich ebenfalls auf die Ausstellung bezog und auf N3 und Radio Bremen zu hören war;

– und Mitte 2012 die schöne Publikation „Music in another dimension“ (Abschlussarbeit Wilhelmshavener Studenten) über den Wittmunder DJ und Diskotheken-Betreiber Rio de Luca.

– Dann waren da die überaus erfolgreichen DJ-Nights 2008, 2009 und 2012 vor dem Schloss mit Tausenden Besuchern aus ganz Weser-Ems und ihren tollen Atmosphären,

– und es gibt immer noch das höchst interessante DJ-Night-Portal (www.dj-night-jever.de) von Wilfried Wördemann, das über unsere Homepage zu erreichen ist und Infos, Berichte, Kommentare und phantastische musikalische Beiträge postet.

– Zudem existiert ein höchst engagiertes Netzwerk von Leuten in Weser-Ems und darüber hinaus, das aus dem Interesse an der Ausstellung und eben im Zusammenhang damit vor allem an den damaligen Läden, der Musik und den Menschen entstanden ist: eine einzigartige soziale und kulturelle Dynamik als Ergebnis eines musealen Projektes, eine Erinnerungskultur, die sich nicht in nostalgischer Rückschau erschöpft, sondern durchaus auch einen aktiven Umgang mit der eigenen Geschichte betreibt und eine nicht zu unterschätzende Basis für eine Dauerausstellung darstellt, die weiter am Thema bleiben möchte.

Wenn auch Leihgaben zurückgegeben werden mussten, so verbleiben dem Schlossmuseum doch viele Objekte, Fotos und andere Materialien als Schenkungen und einige als Dauerleihgaben, so dass wir angesichts des immer noch großen Interesses an diesem Thema, aber auch um die Ergebnisse der Forschungen weiterhin präsentieren zu können, letztlich zu der Überlegung gekommen sind, den Aspekt der regionalen Jugend-, Unterhaltungs- und Musikkultur als Teil unserer Dauerausstellung einzurichten.

Damit bleibt auch für die zukünftigen Besucher ein facettenreiches und durchaus eindrückliches „Bild“ der jugendkulturellen Praxis der heute etwa 45- bis 65jährigen erhalten, die sich um das Medium der Beat- und Rockmusik herum entfaltete. Kristallisationspunkte dieser Praxis waren die Orte, an denen im Zusammenspiel von Musik und Licht, von Interieur und Besuchern im günstigen Falle nächtliche Gesamtkunstwerke entstanden, ästhetisch verdichtete Erfahrungsräume, die außerhalb einer ansonsten reglementierten und durchorganisierten Welt zeitweise Grenzüberschreitungen möglich machten, sei es im Ausagieren beim Tanz, in der Hingabe an die auditiven und visuellen Eindrücke oder auch im Umgang mit den legalen und illegalisierten Drogen.

Die Einrichtung einer solchen Dauerausstellung ist natürlich auch mit der Absicht verbunden, über das bisher Dokumentierte hinaus weitere Infos, Objekte, Materialien, Fotos etc. zu den schon genannten, aber auch zu bisher noch nicht näher betrachteten Läden zu sammeln. So wären wir sehr froh, wenn doch noch weiteres Material z. B. zum Old Inn (Aurich), zum Fehnhaus (Ostgroßefehn), zum Madhouse (Leer/Loga) oder zum Elysium (Edewechterdamm) zusammen käme, aber auch zu frühen Diskos in der Wesermarsch oder auf den Inseln. Außerdem sollen weitere, ähnlich gelagerte Themen behandelt werden. Das alles kann im Rahmen der neuen Dauerausstellung über die nächsten Jahre nunmehr angegangen werden.

Ohne die finanzielle Unterstützung durch die Oldenburgische Landschaft und den Freundeskreis des Schlossmuseums Jever wäre das Vorhaben nicht umsetzbar gewesen. Dafür sind wir den beiden Instituitionen sehr dankbar!

Peter Schmerenbeck, Schlossmuseum Jever

Schreibe einen Kommentar