Als das Magazin Forbes ↑ unlängst feststellte, das die Rockmusik 2017 ihre Krone als meistgehörte Musik in den USA an HipHop und R&B verloren hätte, war das Jubelgeschrei in einigen Ecken der Musiklandschaft groß – die Rockmusik sei eben schon lange einfach tot und ohne Relevanz. Ein besonders fieser Artikel erschien z.B. in der ZEIT: „Beef statt Muff. Die Gitarrenmänner ziehen sich zurück: In den USA hat Hip-Hop zum ersten Mal die Rockmusik als meistgehörtes Genre abgelöst. Das ist überaus zeitgemäß“ (ZEIT ONLINE ↑, 30.08.2017).
Natürlich könnten sich die Fans der Rockmusik in die 1970er Jahre zurückträumen, in der diese Musik noch einen ganz anderen Stellenwert als heute besaß – einfach die alten Platten auflegen und alles ist gut … Nötig ist das aber im Grunde nicht, wie das Magazin Uproxx ↑ in einem schönen Artikel schreibt: „For The Last Time: Rock Is Not Dead, You’re Just Not Paying Attention“ („There have never been more great rock bands. You just have to be willing to go beyond the mainstream“).
Angriffe auf das ganze „Konzept“ der Rockmusik und damit auch auf ihre Hörer sind nun wahrlich nicht neu, aber dass sie in einer Zeit wieder zunehmen, in der auffallend viele gute, hochkarätige Platten erscheinen, erstaunt doch. Oder vielleicht auch nicht …
Das Magazin Uproxx hat vollkommen recht – wer sich kümmert und die ausgetretenen Pfade einmal verlässt, wird derzeit reich beschenkt. Einige Beispiele:
Die Berliner Band Kadavar gilt vielen als Deutschlands Retro-Band Nr. 1. Mit ihrer neuen Platte „Rough Times“ befreien sie sich zunehmend aus dem langen Schatten von Black Sabbath. Wohin die Reise gehen wird, weiß die Band vermutlich selbst noch nicht, aber es könnte sehr interessant werden. Das Video zu dem Stück „Die Baby Die“ ist zudem eine schöne Verbeugung vor dem „Beat Club“ vergangener Zeiten.
Der Blues-Gitarrist Walter Trout ist nach überstandenem Krebsleiden nun wieder mittendrin im prallen Leben und feiert mit seinem neuen Album „We’re All In This Together“ den Bluesrock, als wäre er gerade (von ihm) erfunden worden. 14 zeitgenössische Blues-Gitarristen (mal mehr, mal weniger bekannt) hat er eingeladen und mit ihnen 14 Songs eingespielt, die den Blues mit frischen Sauerstoff versorgen. Gewiss eine traditionelle Platte, aber schon heute ein Klassiker, der bleiben wird.
Robert Plant hat bisher 11 Soloalben veröffentlicht, wovon die letzte „Carry Fire“ – wieder begleitet von den „Sensational Space Shifters“ – sein bisher bestes Album geworden ist. Durch Stimme und Songwriting bedingt scheint immer ein bisschen Led Zeppelin durch – in diesem Fall die unterbewertete dritte Platte, die den Hardrock in Richtung Folkrock verschob. Die Songs von „Carry Fire“ bewegen sich zwischen Blues, Folkrock und Weltmusik hin und her und bestechen durch einen Nuancenreichtum, der sie absolut modern klingen lässt. „Carry Fire“ ist ein richtiges Album, d.h. man sollte es komplett hören und nicht nur einzelne Songs. Das Vergnügen ist dann noch einmal besonders groß …
Abschließend sei noch auf die junge Band Simo hingewiesen, die mit ihrer neuen LP „Rise & Shine“ eine gehörige Schippe draufgelegt haben. Funkrockig gespielter psychedelischer Soul mit einigen Prince-Anklängen könnte man diese ganz und gar eigenständige Musik vielleicht nennen. Das Stück „I Pray“ ist mit seiner Länge und seinem Jam-Charakter nicht unbedingt bandtypisch, erinnert aber an einstige Großtaten von Pink Floyd oder Ten Years After.
Großartige Musik, mit deren Kauf man nicht nur sich einen großen Gefallen tut, sondern ein Stück weit auch die Rockmusik selbst am Leben hält. 🙂
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Wilfried