Die Bilder von chinesischen Großstädten im Smog in den vergangenen Tagen erinnerten mich irgendwie immer an die 1991er LP „Loveless“ der britsch-irischen Band „My Bloody Valentine“. Nebelverhangene Sounds, dichte Feedback-Wände, unverständliche, gedämpfte Stimmen, eine leicht irre Atmosphäre – so in etwa klingt diese LP, die heute als Klassiker der Rockmusik gilt und mittlerweile u.a. Platz 179 in der Liste der 500 besten LPs aller Zeiten des deutschsprachigen Rolling Stone erklommen hat.
Und nun kommt nach 22 Jahren die erste große musikalische Überraschung dieses Jahres: My Bloody Valentine haben eine neue Platte veröffentlicht. „Der liebliche Sound von Staubsaugern“ wird ihre Musik in der enthusiastischen Rezension der neuen LP „mbv“ von Spiegel Online genannt – und das vollkommen zu Recht.
„Alles ist drauf auf ‚mbv‘, was die Vorgänger-Platte so einzigartig machte und ihr einen festen Platz in den Besten-Alben-aller-Zeiten-Listen verschaffte: die flirrend-hallenden Gitarren, die sich nicht an Melodie oder Rhythmus orientierten, sondern feinnervige Gewebe schufen, wie man sie in der Rockmusik bis dahin noch nicht gehört hatte; die süßlich-vagen Stimmen von Shields und Gitarristin Bilinda Butcher, die nur noch Andeutungen transportierten und sich als eine von vielen Sound-Ebenen in die Songs einfügten; und die Momente puren Lärms, die die Songs zerteilten und gleichzeitig zu neuen, wortwörtlich unerhörten harmonischen Einheiten zusammenfügten“ (Spiegel Online: Neues Album von My Bloody Valentine: Der liebliche Sound von Staubsaugern) ↑.
My Bloody Valentine haben Anfang der 1990er Jahre etwas geschaft, was zu diesem Zeitpunkt kaum noch möglich schien, nämlich der Gitarrenmusik noch einmal neue Nuancen, Klangfarben und Bedeutungen hinzuzufügen. Einflüsse von anderen Bands gibt es natürlich auch, allen voran Velvet Underground, aber es ist doch eine ganz neue Art (Rock-)Musik entstanden, die Maßstäbe gesetzt hat und bis heute viele folgende Gitarrenbands beeinflusst hat.
Die Band gilt als Urquell einer Musikspielart, die man heute allgemein „Shoegazing“ nennt – eine sehr schwelgerische Musik aus dichten, melodischen und extrem polyphonen Gitarrenwänden, die mit Hilfe elektronischer Effektgeräte und Synthesizer erzeugt werden. „Die Bezeichnung Shoegazing (dt. ‚auf die Schuhe starren‘) ist eine ironische Begriffsprägung der britischen Musikpresse. Sie bezieht sich auf die musikalischen Protagonisten, die bei ihren Live-Auftritten oft den Eindruck erweckten, sie würden schüchtern oder selbstvergessen auf ihre Schuhe starren. Eine häufig herangezogene Erklärung für dieses Verhalten ist, dass die Gitarristen konzentriert auf die am Boden befindlichen Gitarren-Effektgeräte schauten“ (Wikipedia, Artikel Shoegazing ↑).
Auf die Musik von My Bloody Valentine muss man sich einlassen (können). Wer es schafft, hört psychedelisch-noisig-lieblichen Rock der Sonderklasse. Alle anderen müssen leider draußen bleiben.
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Wilfried